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Siegerland-Wittgenstein – Waldmeer & QuellenReich

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Waldmeer & QuellenReich. 32 Seiten voller Naturplätze & Kulturschätze in Siegen-Wittgenstein

Kulturerbe Lose ziehen,

Kulturerbe Lose ziehen, Lohe schälen Klaus Münker, 60 Jahre, Dipl. Forstwirt, Forstdirekter im Landesbetrieb Wald und Holz NRW „So ein Hauberg aus Eichen und Birken dient heute vor allem der Brennholznutzung. Von den 30.000 Hektar klassischer Haubergsfläche Anfang des 20. Jh. werden heute noch rund 3.000 Hektar als vergemeinschafteter Niederwald genutzt.“ Der Wald der Vielen die Siegerländer Haubergswirtschaft. Was für ein merkwürdiger Wald! Scheinbar verstreut stehende, schmächtige Birken, über eine gut und gerne 20.000 m 2 große Fläche verteilt, recken die weißen Stämme und filigranen Äste zum Himmel. Dazwischen ist schütteres Buschwerk zu erkennen, das sich bei näherem Hinschauen als Stockausschlag entpuppt. Ein Siegerländer Hauberg. Geht es nach dem Kreistag des Kreises Siegen-Wittgenstein und den Bürgermeistern der kreisangehörigen Kommunen, so sollte der Siegerländer Hauberg in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen werden. Derzeit arbeitet eine Expertengruppe, die sich aus Kultur-, Geschichts- und Forstwissenschaftlern und Marketingexperten zusammensetzt, intensiv daran, den Siegerländer Hauberg für eine Aufnahme in die UNESCO-Weltkulturerbeliste vorzuschlagen. Not macht erfinderisch Immer wieder war das Siegerland in der langen Geschichte der Erzgewinnung und -verhüttung kahl und wüst. Um das Erzgestein zu schmiedbarem Eisen zu schmelzen, muss es mehrere Stunden auf über 1.000 Grad erhitzt werden. Derlei Gluthitze war mit dem Verbrennen von Holz nicht zu erreichen. Da entdeckte der Mensch die Herstellung von Kohle aus Holz. Für ein Kilogramm Eisen benötigt man die zehnfache Menge an Holzkohle und um 10 kg Holzkohle herzustellen, waren 50 kg Holz vonnöten. Angesichts der Vielzahl aus dem Boden schießender Hütten und Hochöfen liegt es auf der Hand, dass Holz knapp wurde. 1562 erließ 26

der in Siegen regierende Graf Johann VI. von Siegen-Nassau die erste Siegerländer Haubergsordnung. Erstmals wurde damit gesetzlich geregelt, dass fortan nur so viel Holz geschlagen werden durfte, wie nachwuchs. Gleichzeitig lieferte die Niederwaldbewirtschaftung Voraussetzungen der Nahrungsmittelproduktion, der Gewinnung von Gerbsäure, der Herstellung von Brenn- und Bauholz, der Gewinnung von Dämmmaterial und der Nutzung von Flächen für die Waldweide von Schweinen, Schafen und Rindern. 180 Haubergsgenossenschaften gibt es im Siegerland heute noch. Die ideellen Anteile liegen in den Händen von mehr als 16.000 Anteilseignern. Es ist ein Wald der Vielen. Waldstaudenroggen und Buchweizen Die Anzahl der Anteile richtete sich oft nach der Anzahl der Hofstellen in einem Dorf. Heute regelt ein spezielles Gesetz, das Gemeinschaftswaldgesetz, den Umgang mit Anteilen am sogenannten Gesamthandsvermögen. Sie können wie Grundstücke verkauft und vererbt werden. Die Bewirtschaftung eines Haubergs orientierte sich an der „Umtriebszeit“ der Zeit vom Stockausschlag bis zum Ernte- oder Schlagtermin. Das waren in der Regel 20 bis 25 Jahre. Entsprechend der individuellen Anteile bekam der Haubergsgenosse dann per Losentscheid seinen Teil an dem jährlichen Schlag zugewiesen. Die Einzelanteile wurden im Gelände markiert. Nach dem Aushauen der Sträucher und Äste sammelte und bündelte man das fingerdicke Holz und band es zu Reisigbündeln (Schanzen) für die Gemeinschaftsbackhäuser. Dann wurde der Jahresschlag geräumt, wobei man zunächst die schälfähigen Eichen stehen ließ. Das Stangenholz gelangte entweder direkt in die Bergwerke oder zu den Kohlenmeilern. Im Mai wurden die Eichenstämme schließlich geschält und die getrocknete Baumrinde (Lohe) an die Gerbereien verkauft. Der Haubergsboden wurde abgeplackt, der Soden verbrannt und die Asche in die Erde eingebracht. Dann säte man Buchweizen ein, der im September geerntet werden konnte. Im Anschluss warf man Staudenroggen aus und erntete diesen im kommenden Jahr. Wenn der Stockausschlag hoch genug gewachsen war, begann man mit der Waldhute. Erst Schweine und Schafe dann, nach sechs bis sieben Jahren, auch Rinder. Historischer Hauberg Fellinghausen Der historische Hauberg in Kreuztal-Fellinghausen wird noch wie anno dazumal bewirtschaftet. Auf 24 ha Waldfläche betreiben die Haubergsgenossen traditionelle Niederwaldswirtschaft. Das Schöne daran ist, dass der interessierte Gast das Gelände besichtigen kann und zu den Führungsterminen (Tel. 0271/333-1021) eindrücklich über die einzigartige historische Landnutzung informiert wird. www.fhhf.de Mit dem Dung des Viehs wurde der Waldboden auf natürliche Weise gedüngt. Schellenbauer, Schanzenbrotbäcker und Wiesenbauer Meist ließ man noch Laubengänge aus Altholz stehen, damit die Haubergsgenossen auch Bauholz für Scheunen, Stallungen und ihre Wohnhäuser hatten. Die verstreut stehenden Eichen und Birken fungierten als Samenbäume für die natürliche Verjüngung des Haubergswaldes. Bis zum Siegeszug der Ruhrkohle Mitte des 19. Jh. dauerte die Blütezeit der Siegerland Hauberge. Es gab Schellenbauer für die Herstellung von Glocken für das Vieh, aus den zum Trocknen aufgerichteten Kornrittern wurde der Roggen gedroschen, zu Sauerteig verarbeitet und im Dorfgemeinschaftshaus zu deftigem Schanzenbrot gebacken. Noch heute gibt es zahlreiche Dorfbackes, die zu bestimmten Terminen in Betrieb genommen werden. Und noch eine kuriose Entwicklung geht auf den Siegerländer Hauberg zurück, die Entstehung der Wiesenbauerprofession. Die wachsende Bevölkerung führte zu einer Zunahme der Viehbestände, der Platz in den Haubergen wurde knapp und so erfanden die Siegerländer eine besondere Bewirtschaftungsform zur Berieselung und Düngung von Wiesen. 1843 wurde eine Sonntagsschule für den Wiesenbauernachwuchs initiiert, 1853 folgte in Siegen die Gründung einer Wiesenbauschule, aus der nach vierjährigem Studium Wiesenbaumeister hervorgingen und die Wurzeln der heutigen Universität Siegen gehen darstellen. Im Siegerland noch live zu erleben: Das Köhlerhandwerk Niederwald Rubens-Galerie im Siegerlandmuseum im Oberen Schloss in Siegen „Siebenmeilerstiefel“, Fotos: Achim Meurer 27