Holz vor der Hütte Das Königreich der Bäume Georg Jung, 56 Jahre, Agraringenieur. Geschäftsführer der Bezirksgruppe Siegen-Wittgenstein im Waldbauernverband NRW e.V. „Die Waldbauern im Kreis Siegen-Wittgenstein freuen sich über jeden Waldbesucher. Wanderer, die sich an das Wegegebot halten, die Früchte des Waldes in Maßen sammeln und mit unserer Flora und Fauna achtsam umgehen, sind uns ganz besonders willkommen!“ Mythos Wald – im Kreis Siegen-Wittgenstein gibt es tausendfach Anregung und Anschauungsunterricht. 2.903 m 2 Wald stehen statistisch betrachtet jedem Einwohner des Kreises Siegen-Wittgenstein zur Verfügung. Auf 71% der gesamten Kreisfläche wächst Wald: Die letzte Waldinventur 2016 ergab unglaubliche 80.000 Hektar. Ein Paradies für Waldschwärmer auf Schusters Rappen. Mehr als 8 Millionen Tonnen wertvollen Humus produzieren Wälder pro Jahr. Rund 2 Mio. Kubikmeter Wasser verdunstet das gewaltige Nadel- und Blätterdach im Jahr. Dank der Verdunstungskälte bieten die Wälder von Siegerland und Wittgensteiner Land ein um bis zu 10 Grad kühleres Klima. Beste Voraussetzungen für Wanderungen an heißen Sommertagen. Variantenreicher Waldbesitz Die tiefste Stelle des Kreises liegt an der Sieg bei Niederschelden mit 215 m. Dafür geht es andernorts im Siegerland bis auf 677 m hinauf. Im Wittgensteiner Land, in alten Reiseführern als „Wittgensteiner Gebirgskammer“ bezeichnet, geht es schon mal knapp an die 800 Metermarke. Je nachdem, ob man das Siegerland oder das Wittgensteiner Land betrachtet, gibt es gravierende Unterschiede beim Waldbesitz und hieraus abgeleitet, auch zur Struktur der Wälder. Insgesamt befindet sich 85% der Waldfläche in Privatbesitz. 8% der Fläche ist im kommunalen und 7% im Besitz von Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Bund, Land oder Kirche. Auffällig und kulturhistorisch einzigartig ist der hohe Anteil von Haubergswäldern im Siegerland. Hierbei sind die Waldflächen 18
„vergemeinschafteter“ Wald und damit im Besitz der Bewohner siegerländischer Orte. Im Wittgensteiner Land hingegen verteilt sich der Waldbesitz auf die fürstliche Familie Sayn-Wittgenstein-Berleburg im Schloss Bad Berleburg und eine Vielzahl von Kleinwaldbesitzern. Mit über 13.000 Hektar Wald führt das Fürstenhaus sogar die Liste der nordrhein-westfälischen Privatwaldbesitzer an. Aber auch die Rentkammer Wittgenstein in Bad Laasphe, der einstigen Südgrafschaft Wittgenstein, bewirtschaftet mehrere tausend Hektar Wald. Waldwelt im Wildwald Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW unterhält mit dem Waldinformationszentrum Forsthaus Hohenroth in der Nähe der Ederquelle ein wundervolles Erlebniszentrum. Themenwege (darunter der Kyrillpfad), ein Rotwildgehege und eine Dauerausstellung informieren ausführlich über das Waldmeer im Süden Westfalens. www.waldland-hohenroth.de Nährstoff- und Wasserpumpe Wald Rund 1,96 Mio. Kubikmeter Totholz liefern die Grundlage für die Vitalisierung der Wälder, bieten Lebensgrundlagen für eine schier unermessliche Heerschar von Insekten und Kleinstlebewesen. Durch ihre filigrane Zersetzungsarbeit führen sie dem Waldboden wichtige Nährstoffe zu, reichern den humusreichen Boden mit Sauerstoff an, fördern die Kohlendioxydbindung und verhelfen dem Untergrund zu erstaunlichen Wasserspeicherfähigkeiten. Die gesamte Biomasse der Wälder speichert gewaltige Grundwassermengen wie ein Schwamm und gibt sie später in dosiert über Quellen und die Verdunstung über Nadeln und Laubblätter wieder ab. Man muss sich die Gesamtheit der Wälder in Siegen-Wittgenstein als gewaltiges Kraftwerk, als gigantische Klimaanlage, als Sauerstoffproduzenten, Nährstoff- und Wasserpumpe vorstellen. 57% der Waldfläche sind mit Nadelbäumen bestückt. Die restlichen 43% stellen die Laubbäume, darunter mit großem Vorsprung vor Ulme, Ahorn, Esche oder Birke die Buche (13,1%) und Eiche (10,9%). Eine ausgewachsene Rotbuche kann ein Blattvolumen von 1.600 m 2 erreichen, dazu dienen bis zu 8 Mio. Einzelblätter. Die verarbeiten in einer Stunde 2,4 kg Kohlendioxyd und 960 g Wasser zu 1,6 kg Glucose und 1,7 kgSauerstoff. Man stelle sich vor, dass ein Hektar Buchenwald jährlich rund 22 Tonnen reinsten Sauerstoffs produzieren kann. Der Treibstoff dieser Kraftmaschine der Natur ist das Sonnenlicht. Der Wald und die Menschen Die Bewohner in Siegen-Wittgenstein haben schon immer eine tiefe Beziehung zu ihrem Wald. Nicht nur, dass jedem Bewohner statistisch im Vergleich zu Deutschland insgesamt die doppelte Fläche an Wald zur Verfügung steht, der Wald, also der Rohstoff Holz hat Siegerländer und Wittgensteiner geprägt. Der Wald als Arbeitsplatz, als Viehweide, als Brennstoffreservoir, als Nahrungsspender, als Kühlkammer, Schutz vor Gefahren, Erwerbsquelle, Ort von Märchen und Sagen und Baustoffproduzent mit der besonderen Fähigkeit der regenerativen Erneuerung. Unübersehbar sind die vielen gestapelten Festmeter Brennholz in den Wäldern oder hinter den Häusern. So mancher Dorfbackes wird heute noch mit selbstgebundenen Reisigbündeln, den Schanzen, aufgeheizt und die schwarz getünchte Ständerung Siegerländer Fachwerkhäuser, an den Wetterseiten gerne auch mit Schiefer wetterfest verkleidet. Holz prägte und prägt die Menschen und ihre Kultur. Für Georg Jung, Geschäftsführer des Waldbauernverbandes Siegen-Wittgenstein, ist klar: „Die seit Jahrhunderten praktizierte genossenschaftliche Haubergsbewirtschaftung hat bei den Siegerländern eine besonders innige Beziehung zum Wald bewirkt“. Die gemeinschaftliche Waldnutzung lebt bis heute fort und Waldanteile werden von Generation zu Generation vererbt. Viel Holz vor der Hütte Sage und schreibe 22 Mio. Kubikmeter Holz wachsen in Siegen-Wittgenstein. Das ergibt, als Scheitholz mit einer Länge von 1 m, auf 2 m Höhe gestapelt, eine Strecke von 15.400 km. Damit könnte man die Distanz von Siegen nach Melbourne in Australien mit einem weltrekordverdächtigen Holzstapel verbinden. Der deutschlandweit waldreichste Kreis ist eine grüne Lunge. Voller würziger und sauerstoffreicher Luft. Rund 14% der Waldfläche unterliegen als FFH-Gebiete, das sind europäische Schutzgebiete nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, besonderen Bewirtschaftungsbeschränkungen. Ziel ist es, vornehmlich den Buchenwaldcharakter zu erhalten. Weitere 6% der Fläche sind als Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Ein fantastisches Wegenetzwerk an Wanderwegen, darunter Weitwanderwege wie der Rothaarsteig, zertifizierte Tagestouren wie die Rothaarsteigspuren, Thementouren und zahlreiche örtliche Rundwanderwege helfen bei der Entdeckung des Waldmeeres. Ranger des Landesbetriebes Wald und Holz NRW organisieren Wald-Erlebnis- Wanderungen auf dem Rothaarsteig Fotos: Klaus-Peter Kappest 19
Laden...
Laden...
Laden...