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Siegerland-Wittgenstein – Waldmeer & QuellenReich

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Waldmeer & QuellenReich. 32 Seiten voller Naturplätze & Kulturschätze in Siegen-Wittgenstein

Heiße Eisen Erzengel

Heiße Eisen Erzengel und Haspelknechte Friedrich Schmidt, 64 Jahre, Leiter Siegerlandhalle, Städtischer Verwaltungsdirektor und Vorsitzender des Heimatvereins Niederschelden „Siegerland ist Eisenland die mehr als 2.500-jährige Eisengeschichte ist an vielen Stellen heute noch lebendig.“ Siegerland Eisenland und Heimat der „Hidden Champions“. Schon vor 2.500 Jahren verstanden sich die Bewohner des Siegerlandes auf die Gewinnung von Oberflächenerz, seiner Verhüttung in sogenannten Rennöfen und der Bearbeitung der Eisenluppen zu Werkzeugen, Waffen und Schmuckstücken. Der Schmelzofen bei Obersdorf nahe Wilnsdorf liefert Anschauungsunterricht. Er stammt aus der Zeit um 250 v. Chr. Mehr als 300 historische Verhüttungsplätze, etwa der Engsbachseifen bei Achenbach, sind verbrieft. Viele sind durch Wanderwege fußläufig zu erreichen. Um die Mühlen, Hütten und Hammerwerke entlang der Wasseradern von Sieg, Littfe, Ferndorf, Heller oder Asdorf entstanden kleine Siedlungen. Sie wuchsen rasch und so stellt das Hüttental von Eiserfeld über Siegen, die heutigen Stadtteile Weidenau, Geiswind bis nach Eichen und Kreuztal-Krombach ein nahezu kompaktes, zusammenhängendes Gemeinwesen dar. Schlote, Gruben, Hammerwerke Die mittelalterliche Eisenverhüttung im Siegerland reicht ins 9. Jh. zurück. Ab dem 12. Jh. begann man mit dem untertägigen Erzabbau. Anfänglich waren Hand- und Fußbälge in Gebrauch, bevor um 1300 die Nutzung der Wasserkraft für den mechanischen Antrieb der Gebläse genutzt wurde. Von nun an wanderten die Hütten, Hämmer, Pochen und Wäschen in die Täler. Schon bald wurden die Erze ausschließlich in der Tiefe abgebaut. Schächte und Fördertürme wurden errichtet und auf dem Pfannenberg zwischen Neunkirchen und Siegen- Eiserfeld stand einst Europas tiefste Erzgrube. Zur untersten Sohle des Berg- 14

werks fuhren die Bergleute 1.338 Meter tief in die Erde des Siegerlandes ein. Für die Verhüttung wurde in den umliegenden Wäldern Holzkohle als Brennmaterial produziert. Um 1800 zählte man über 600 gewerbliche Köhler im Siegerland. Dass das waldreiche Mittelgebirge nicht gänzlich entwaldet wurde, verhinderte 1562 eine vom Nassauer Landesherrn in Siegen gesetzlich verordnete Vergemeinschaftung der siegerländischen Wälder. Die nachhaltige Eichen-Birken-Niederwaldbewirtschaftung durch die erste Haubergsverordnung sicherte u.a. die stete Versorgung mit Holz zum Ausbau der Stollen und zur Herstellung von Holzkohle. 1857 waren 20 Hochöfen und sechs Puddelwerke, in denen aus den in den Hochöfen hergestellten Roheisen sogenanntes Schmiedeeisen (Puddeleisen) hergestellt wurden, verbrieft. Sechs Hammerwerke und fünf Gießereien wurden für den gleichen Zeitpunkt gezählt. In den Tälern rauchten die Schlote, das Dröhnen der wassergetriebenen Hämmer erfüllte die Luft. Im gleichen Jahr fuhren täglich zigtausende Bergleute in die 19 Bergwerke der Region ein. Eisengeschichte zu Fuß In Siegen-Achenbach bietet sich der 12 km lange historische Rundweg Achenbach an, der zu Rennöfen der La-Tène-Zeit führt. Auf Bergmannspfaden (15,6 km) ist man im Eisenland von Wilnsdorf unterwegs. Ein Besuch im dortigen Museum ist sehr zu empfehlen. Beide Touren gehören zum zwölf Wege umfassenden Wegenetz „WanderHöhepunkte links und rechts des Rothaarsteigs“. Dazu gibt es einen eigenen Pocketguide. www.siegerland-wittgenstein.com Von Wieland und Kaiser Wilhelm 1555 verzichtete der regierende Graf vom Siegener Oberen Schloss auf die eigene Betätigung im Eisengewerbe. Jegliche Neuansiedlung von Glas-, Gieß-, Hammer- oder Stahlhütten wurde verboten. 1861 begann der Einzug der Steinkohle als Energieträger, das Ende des Köhlergewerbes war eingeläutet. Die heute noch aktive Köhlerei in Netphen-Walpersdorf kann man samt dem wanderbaren Köhlerpfad hautnah erleben. Dass Wieland der Schmied, er wird in nordischen Heldenepen als Schöpfer eines besonderen Stahls gepriesen, in Wilnsdorf mit Hammer, Eisenluppe, Esse und Amboss das berühmte Schwert Mimung schuf, ist pures Gerücht. Unbestritten ist hingegen, dass der Stahlberg in Hilchenbach-Müsen, am Fuße des Kindelsbergs, die wohl berühmteste Siegerländer Grube war. Erstmals 1313 ist der Betrieb des Bergwerks urkundlich vermerkt. Nachdem ab 1815 das Siegerland zu Preußen gehörte, erhielt die Grube Besuch aus dem preußischen Königshaus. Kronprinz Friedrich Wilhelm, König Friedrich Wilhelm IV. und Kaiser Wilhelm I. befuhren den Stahlberg. 1931 wurde der Grubenbetrieb eingestellt. Von Erzengeln und Haspelknechten Die Erzengel im Bergbau waren meist Mädchen und junge Frauen. Ihre Aufgabe bestand im Aussortieren der in riesigen Röstöfen „gewaschenen“ Erze. Haspelknechte hingegen arbeiteten über oder unter Tage und förderten mit der Haspel Material mit Muskelkraft nach oben oder unten. Es gab ganz fantasievolle Namen für die Gruben Blumengarten, Bügeleisen, Feuer und Flamme, Hinterstes Hühnchen, Luftgrube oder Vereinigtes Pützhorn. Im 19. Jh. bildeten sich Grubenverbünde wie die Grube Steimel im Neunkirchen. In der Frauenberger Einigkeit waren zuletzt drei einzelne Bergwerke zusammengeschlossen und in der Grube Pfannenberger Einigkeit, die erst 1962 den Betrieb einstellte, waren acht Gruben und Stollengänge auf dem Pfannenberg vereint. Trotz des Niedergangs des Siegerländer Bergbaus, die letzte Grube schloss 1965, haben sich aus der langen Bergbau- und Verhüttungshistorie Unternehmen entwickelt, die heute auf ihren Gebieten zu den Weltmarktführern, den „Hidden Champions“ gehören. Ihre Wurzeln liegen im 19. oder 20. Jh., rühren an den Fertigkeiten und Kenntnissen der Boomzeit und ihre Weltmarktführerschaft haben sie sich durch extreme Spezialisierung erworben. Dazu gehören u. a. der Weltmarktführer für Aluminiumfeinband- und -folienwalzwerke und die Achenbach Buschhütten GmbH & Co. KG in Kreuztal. Weltweit führend ist z. B. die Firma Dango & Dienenthal Maschinenbau GmbH in Siegen, sie stellt Komponenten für Schmiedebetriebe, Reduktionsöfen und Abschlacktechnologien her. Die SMS Siemag AG im kleinen Hilchenbach-Dahlbruch ist Weltmarktführer für metallurgische Maschinen und Anlagen und TMT Tapping Measuring aus Siegen hat sich auf Abstichtechnologien für Hochöfen und Schmelzöfen spezialisiert. Mindestens ein Dutzend weiterer Weltmarktführer hat seinen Sitz im schönen Siegerland das Besondere daran: Es handelt sich nahezu ausnahmslos um Familienbetriebe. Absteigen, bitte! Das Schaubergwerk Wodanstolln in Salchendorf, Gemeinde Neunkirchen Foto: Heimatverein Salchendorf Spuren des Bergbaus in der Landschaft des südlichen Siegerlandes Foto: Klaus-Peter Kappest 15