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Siegerland-Wittgenstein – Waldmeer & QuellenReich

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Waldmeer & QuellenReich. 32 Seiten voller Naturplätze & Kulturschätze in Siegen-Wittgenstein

Könige der Wälder

Könige der Wälder Zottelige Eminenz Kaja Heising, 29 Jahre, studierte Wildtiermanagerin, Master in Ethologie und Arterhaltung und Wissenschaftliche Koordinatorin in der Wisent-Welt Wittgenstein. „Warum Wisente so heißen? Es gibt eine Theorie, dass ihr Lebensraum ursprünglich nicht auf Wälder beschränkt war, sondern durch den Menschen auf den Wald zurück gedrängt wurde.“ Das Wittgensteiner Waldmeer ist wieder Heimat von Wisenten. 2013 wurde im Wittgensteiner Land eine kleine Herde der vom Aussterben bedrohten Wisente in die Freiheit entlassen. Das Wisent-Artenschutzprojekt zur Wiederansiedlung des größten Landsäugetieres der „Alten Welt“ ist einzigartig in West- Europa. Um die majestätischen Zotteltiere allerdings verlässlicher zu Gesicht zu bekommen, wurde 2012 bei Aue-Wingeshausen die Wisent-Welt Wittgenstein mit aktuell zehn Tieren eingerichtet. Nein, mit einer Wildtiermanagerin hatte ich nicht gerechnet, als ich das Büro und die Ausstellungsräume der Wisent-Wildnis im schönen Bad Berleburg betrat, um mich aus erster Hand zu informieren. Die studierte Ethologin Katja Heising deutet auf eine Antenne am Boden: „Einige Tiere sind mit einem Sendehalsband ausgestattet. Im Optimalfall erhalte ich mehrfach täglich per Satellit Infos zum aktuellen Standort der ausgewilderten Herde. Allerdings schränkt die geologische Formation und die schlechte Mobilfunkverbindung diese Möglichkeit stark ein, so dass ich manchmal wochenlang nichts von den Tieren höre.‘“ Die Könige der Wälder haben einen eindrucksvollen Aktionsradius. Die Herde aus aktuell 18 Tieren nutzt rund 4.800 Hektar Fläche. Täglich können sie im Schnitt 11 km zurücklegen. Gewaltige Statur und scheue Natur Zum Ende der letzten Eiszeit, vor rund 12.000 Jahren, wanderten große Wisentherden über Osteuropa nach Mittel- und Westeuropa und bereicherten den Speisezettel der steinzeitlichen Bewohner. In vielen Höhlenmalereien unserer Vorfahren sind die haarigen Riesen abgebildet. Zu Zigtausenden streiften sie durch die Waldweiden 12

der Alten Welt. Vor 100 Jahren war auch der letzte freilebende Wisent in Europa erlegt. Bis auf wenige Tiere in Zoos und Tiergehegen war die europäische Wisentpopulation eliminiert. Während in Osteuropa die Paarhufer mit der gewaltigen Statur, ein ausgewachsener Bulle kann bis 2 m hoch und 3 m lang werden und bringt bis zu eine Tonne Gewicht auf die Waage, schon Anfang des 20. Jh. wiederangesiedelt und ausgewildert wurden, startete die erste Auswilderung in Westeuropa im April 2013 in den Wäldern von Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg. Dabei sind die mächtigen Grasfresser sehr scheue Tiere. Sie lieben die Ruhe und fühlen sich überall dort wohl, wo die natürliche Vorratskammer ihre Lieblingsgerichte vorhält. Dazu zählen Gräser, gerne auch Süßgräser, Himbeer- und Brombeerranken, Brennnesseln, Moose, Flechten, junge Triebe, Knospen, Blätter, Baumfrüchte, Rinde und Baumpilze. Welche Auswirkungen die braunen Kolosse auf das Ökosystem haben werden, das zu erforschen bzw. erforschen zu lassen, gehört neben der Verhaltensforschung der Tiere zu den Aufgaben der wissenschaftlichen Koordinatorin Kaja Heising. Es ist zu vermuten, dass die äsende Herde den Wald lichter macht und durch den Dung für die Besiedlung von spezialisierten Insekten und Käfern führt. Das wiederum lockt vermutlich auch verschwundene Vögel an. Man darf gespannt sein. Vom Zauber, sich beobachtet zu fühlen Die Chancen, dass Wanderer und andere Waldbesucher auf eine friedlich äsende Wisentherde treffen, sind sehr gering. Selbst die Wildtiermanagerin hat Probleme, trotz der Unterstützung der Verortung mittels Funksignalen, die scheuen Tiere zwischen all den Baumstümpfen, Wurzeltellern umgestürzter Bäume, hohem Farn und dichtem Baumbesatz zu erkennen. Sogar im vollen Galopp, und die braunen Eminenzen können bis zu 60 km/h schnell werden, könne man die Herde kaum hören und nicht über die Erschütterungen des weichen Waldbodens spüren. „Ich finde die Vorstellung reizvoll, zu wissen, dass irgendwo im Wald diese majestätischen Tiere meine Witterung aufgenommen haben, mich beobachten Tipp zum Wandern: Von Aue-Wingeshausen aus, nahe der sehenswerten „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“, startet der qualitätsgeprüfte Rundwanderweg Wisent-Pfad mit 12,9 km Länge. Er lässt sich mit dem 3 km langen Rundwanderweg durch die 20 ha große Wisent-Wildnis kombinieren. Einen Besuch wert ist auch die Wisent-Erlebnisausstellung in der alten Landratsvilla, einem Nebengebäude des Rathauses der Stadt Bad Berleburg. www.wisent-welt.de und dabei für mich unsichtbar bleiben“, sagt Katja Heising. Zwischen Mai und August kommen die 25-30 kg schweren Kälber auf die Welt und werden sechs Monate von der Mutter gesäugt. Während sich Jungbullen nach zwei bis drei Jahren auf die Walz machen, bleiben die Kühe immer bei der Herde. Der Altbulle Egnar, so hat man beobachtet, bleibt jedoch stets bei der Herde und zieht sich lediglich in den Wochen, in denen die Kälber geboren werden, zurück. Das Artenschutzprojekt sieht vor, dem Bullen die nachwachsende Konkurrenz zu ersparen, und so werden Jungbullen künftig umgesiedelt. Schließlich soll sich die Stärke der Herde, die nicht über 25 Tiere wachsen soll, der verfügbaren und weitgehend vom Menschen bewirtschafteten Fläche anpassen. Wisent-Welt Wittgenstein Wer in den Wittgensteiner Wäldern mit Hund auf Wanderung geht, und an tollen Wanderwegen mangelt es in der Waldwildnis nicht, sollte den Hund stets angeleint haben und ausschließlich auf den Wegen führen. Für den sehr seltenen Fall, dass sich die Wisentherde dem Hund nähert, sollte man ihn indes umgehend ableinen. Allgemeine Verhaltensregeln für Wanderungen in der Wisent-Welt gibt es auf der Webseite www.wisent-welt.de. Wer das Glück haben sollte, den Wisenten in der freien Natur zu begegnen, ist herzlichst eingeladen, über seine Erlebnisse (Bitte mit Angabe von Standort, Tag und Uhrzeit) per Mail unter info@wisent-welt.de zu berichten. links & oben: Eindrucksvolle Illusion am Zaun, dass die gewaltigen Tiere sich inmitten ihres wilden Lebensareals frei bewegen und nicht der Mensch unten: Einzigartiger Charme: Wisent-Hütte zwischen Bad Berleburg-Wingeshausen und Schmallenberg-Jagdhaus Fotos: Wisent-Welt-Wittgenstein 13