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Die Schönsten Fernwanderwege 2022

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Europäische

Europäische Fernwanderwege WAS DIE SCHWENTINE ERZÄHLT 62 km lang ist die muntere Schwentine und entspringt am Bungsberg. In Kiel, genauer zwischen den Kieler Stadtteilen Dietrichsdorf und Wellingdorf, mündet die Schwentine in die Ostsee. In unendlich vielen Mäandern mit 16 Seen und einem Stausee bietet der Heilige Fluss der slawischen Ureinwohner himmlische Stille sowie Wander- und Wasserwandererlebnisse der besonderen Art. Während die Schwentine die letzten 12.000 Jahre den Landschaftsgestalter spielte, stammt der ursprüngliche „Bauplan“ aus der letzten Eiszeit. Gewaltige Schmelzwasserströme haben diese zum Teil hintereinander liegenden Seen „angelegt“. 6 Erste Station ist Preetz mit seinem noch aktiven Kloster aus dem 13. Jh. Das schöne Denkmal auf dem Marktplatz erinnert daran, dass man hier der Stadt der Schuster huldigen kann. Ich lerne, über den Fluss des Lebens nachzudenken, denn die Etappe nach Plön wird von Seen, Stromschnellen und Gutshäusern geprägt. Kirchsee, Lanker See, Wielener See, der Kleine Plöner See, der Trammer See und am Ende Schleswig- Holsteins größter See, der Große Plöner See – was mögen die Seen meines bisherigen Lebens gewesen sein? Der sagenhafte Rundumblick vom 20 m hohen Parnaßturm über der Schlossstadt Plön zeigt eindrucksvoll, wie sich Plön inmitten einer bezaubernden Seenlandschaft strategisch perfekt platziert hat. Hervorgegangen aus einer Slawensiedlung reifte Plön, einst sogar Residenzstadt, zum bedeutenden Handelszentrum. Ich wandere an altehrwürdigen Gutshöfen wie Güsdorf, Gut Wahlstorf oder das auf einer Halbinsel im Kleinen Plöner See gelegene Gut Wittmoldt vorbei. Gibt es „Gutshöfe“ entlang meines Lebensweges? Zauberhaftes, reetgedecktes Häuschen in Stendorf WENN DIE GEDANKENSTRÖME VERSTUMMEN Es folgt das Herz des Wassereichs: Die Etappe von Plön nach Eutin ist geprägt von den „Schwentine-Teichen“. Darunter sind so veritable Seen wie der Große Plöner See, der Dieksee oder der Kellersee. Andere sind ganz klein wie der Edebergsee, der Höftsee oder wie Großer und Kleiner Madebröken See. Wieder andere liegen dazwischen, so der Behler See oder der Suhrer See. Zwei grandiose Schlösser (Plön und Eutin) künden von Herrschern, Macht, Reichtum – von Aufschwung und Niedergang. Dazu alte Reetdachhäuser und insgesamt sehr see- und naturnahe Wege. Erst allmählich wird mir bewusst, dass in der Holsteinischen Schweiz auch Berufsfischer aktiv sind. Anfangs ist der Kopf am Morgen voller Gedanken. Doch mit jedem neuen Wandertag ver-

Hafenblick stummt die Kakofonie immer rascher. Als ich Gut Stendorf erreiche, herrscht Funkstille. Ich sauge das Gesehene auf wie ein trockener Schwamm. Lichtblitze hier, der flüchtige Windhauch, die Regentropfen zwischendurch und das eingespielte Vorwärtsdrängen der Beine und Füße. Ich bin im Hier und Jetzt! Dann nehme ich Kurs auf den Bungsberg. Von der Aussichtsplattform des 249 m hohen Sendeturms in knapp 40 m Höhe erkenne ich die Ostsee, die in der Sonne glitzert. Herrlich. Mit 168 m schaffte es der Bungsberg übrigens, den Gletschermassen aus dem Auf dem Bungsberg: Blick vom Fernmeldeturm auf den 150 Jahre alten, denkmalgeschützten Elisabethturm Norden zu widerstehen. Aufgeschüttet haben ihn allerdings Gletscher, bereits lange vor der Saaleeiszeit. DER FLOW Irgendwann erlebst du beim Fernwandern den Moment, in dem alles fließt. Die Sinnespforten sind weit geöffnet. Du spürst die Berührung mit der Natur, mit der Welt, die dich hier und jetzt umarmt. Wie das Naturschutzgebiet Kasseendorfer Teiche hinter Schönwalde. Oder Gut Sierhagen mit seiner 800-jährigen Geschichte oder das Naturschutzgebiet Neustädter Binnenwasser vor den Toren der Hafenstadt Neustadt/Holstein an der Ostsee. Große Zweimaster ankern an den Kais zwischen Dutzenden Segelyachten. Noch bevor ich die Brücke in die Altstadt passieren kann, lockt das uralte Backsteinkirchlein Hospitalkirche Heilig Geist. Die Türen der Kirche weit geöffnet wie mein Herz. Ich denke mich in einen Gottesdienst anno dazumal hinein. Menschen im Glauben vereint, nach innen gekehrt. Hoffnungsvoll, sehnsuchtsvoll – vielleicht auch leidvoll? Flüchtige Momente, jeder für sich und doch in der Zusammenschau wie ein spannender Kinofilm. Bald mache ich halt am Taschensee und treffe dort Bernhard, den Vorstand des Regionalmuseums Scharbeutz mit Sitz in Pönitz. Er erzählt von der gewaltigen Sturmflut vor 150 Jahren. Da schwappte die Ostsee weit ins Hinterland hinein. Welcher Schrecken, welche Schicksale hatte das zur Folge? Auf und ab lenkt das X meine Wege durch grünes, gewelltes Land. Vom Bismarckturm auf dem Pariner Berg, eine 72 m hohe Endmoräne, entdecke ich dann mein vorläufiges Ziel auf dem E1, Bad Schwartau. Kurz ringe ich mit mir, ob ich aus diesem Flow der gedehnten Zeit aussteigen möchte. Mir kommen die Wandertage unendlich lang vor. So angefüllt mit Eindrücken, Erlebnissen, Empfindungen. Es ist ein Zustand der völligen Balance. Nichts drückt, belastet, bedrängt mich. Ich bin und folge meinem Mantra. Und, ja, ich bin glücklich. www.wandermagazin.de 7